Lost-Place Tour 2011
Das Ziel der Tour lag diesmal 120 km östlich von Berlin und damit über der deutschen Grenze, in Polen. Der Ostwall, auch bekannt als Oder-Warthe-Bogen, mit seinem 32 km langen Hohlgangsystem war der Hauptziel der Reise. Als Dessert standen noch diverse Lost-Places südlich von Berlin auf dem Programm, allerdings machte uns der Bunkertourismus einen Strich durch die Rechnung.
Während die Rückreisewelle von Lost in MV seinen Höhepunkt erreicht haben dürfte, überquerten AndiW, Timemurder, ScandinavianMagic und ich die polnische Grenze. Im etwas abseits gelegenen Hotel im Regenwurmlager, inmitten des Ostwalls, hatten wir uns einquartiert und schon vor dem Einchecken den ersten Lost Place direkt vor dem Hotel kurz besichtigt. Der abendliche Spaziergang durch das teilweise hergerichtete Lager endete mit einem Bunker-DNF. Die von Zuhause mitgebrachten Koordinaten eines potentiellen Bunkers stellten sich als netter Angelplatz mit Sitzgelegenheit am See heraus. Immerhin hatten wir etwas Bewegung und nebenbei noch ein lostiges Theater besichtigt.
Der einzige, auf geocaching.com gelistete Cache mit Bunkerbezug stand am nächsten Tag auf der TODO-Liste. Inmitten von Kiefer- und Birkenwäldern hatten wir den ersten Kontakt mit Hinterlassenschaften aus dem 2. Weltkrieg. Nach den Drachenzähnen, wie die Panzersperren auch genannt wurden, ging es ein paar Stockwerke tief in einen Bunker ohne Anschluss an das Tunnelsystem. Danach war die Suche nach einem Eingang zu den zwei Caches, welche beide nur auf opencaching.pl gelistet sind, an der Reihe. Die Beschreibung war dabei weniger hilfreich…
Um kesza, finden den Abstieg in die Unterwelt, je nach Vorlieben / Fähigkeiten…
…Wie für den Eingang zum Bunker ist eine Sache komplizierter, weil heute alle Eingänge in den Bunker gesperrt werden. Der einzige Zugang zum Bunker ist unterirdischen Tunnel
… und auch der Tip mit dem Zugang bei einem anderen Panzerwerk erwies sich als Sackgasse. Hier war die Kasse vor dem Eingang aufgebaut, der Zugang nur mit bezahlter Führung und in einem begrenzten Gebiet der unterirdischen Anlage möglich.
Durch Zufall entdeckten wir einen potentiellen Zugang, welchen wir auch nach weiteren Zugangs-DNFs auf Tauglichkeit prüften. Dank Klettergeraffel war der Umstand, dass in dem Schacht keine Treppe vorhanden war, nicht wirklich ein Problem und nach etwa 30m abseilen hatten wir nach zwanzig Minuten Fußmarsch auch den Hauptgang erreicht. Somit stand der Erkundung des Systems am nächsten Tag nichts mehr im Weg.
Eigentlich wäre nach der zweiten Nacht in Polen die Abreise angestanden. Da die Suche nach einem kommerzfreien Zugang allerdings länger als geplant gedauert hatte, haben wir noch eine Nacht in Polen dran gehängt. Damit hatten wir den kompletten Tag Zeit für den Hauptgrund der Reise, mussten nicht hetzen und am Abend noch Richtung Deutschland fahren.
Da wir das Seil nicht beaufsichtigt hängen lassen wollten, durfte ein Teil der Timemurders die frische Luft genießen, während wir ein paar Abschnitte des Nordteils besichtigten. Beim Rückweg mussten wir noch spontan eine Führung aussitzen, um der kleinen Muggelgruppe anschließend ein paar hundert Meter zu folgen und dann zum Seil abzubiegen. Nach einem kurzen Schichtwechsel ging es diesmal in einer Herrenrunde in südliche Richtung… um im Hauptgang direkt einer anderen Führung in die Arme zu laufen. Im Vergleich zu unserem Gegenüber waren wir etwas overdressed (Klettergeraffel, Helm, … ) und man ließ uns nach einem ersten „It is illegal to get down here without a guide“ und kurzem Plausch über das woher und wohin, doch gewähren.
Unendliche Weiten… zumindest gefühlt, recht schnell kam der Wunsch nach einem Gefährt auf. Eigentlich wollten wir bis zur Burschener Schleife, aber dort gäbe es laut der zuvor angetroffenen Gruppe ein Gitter, welches den weiteren Zugang versperrt und nur mit Schlüssel passiert werden kann. Es dauerte recht lange, bis wir den Abzweig zum PZW 719 und 720 erreichten und von dort aus war es noch ein längerer Marsch, bis wir endlich die 116 Stufen in den eigentlichen Bunker hinaufsteigen konnten. Während wir hier den Cache schnell fanden, war die Luft beim Nachbarcache irgendwie raus. Da die Beschreibung im Auto lag (professionelle Planung) und es uns nicht wirklich auf die Punkte ankommt, haben wir lieber noch ein paar Bilder gemacht. Die Zeit in solchen unterirdischen Anlagen scheint irgendwie schneller zu vergehen und die Füße nutzen sich eher ab. Einige Stunden hatten wir hier unten verbracht und längst nicht alles gesehen, aber der vereinbarte Zeitpunkt für die Rückkehr war, angesichts des langen Fußmarsches zurück, schon etwas überschritten. Nach ein paar letzten Bildern ging es, Dank fortgeschrittener Uhrzeit gänzlich ohne Muggelkontakt, bis zu unserer vertikalen 11mm-Treppe. Weitere Infos und Bilder zu Tour gibt es auf cacheville.de
Durch die zusätzliche Nacht in Polen mussten wir etliche Lost-Places von der Liste streichen. Letztendlich reichte es nur noch für zwei größere Gelände mit morbidem Charme und Dank des geschickt gelegenen Hotels, zu einem kleinen aber feinen Bunker, der auch bei Nacht erkundet werden konnte.
Eine weitläufige Heilstätte, welche zu Beginn als Psychiatrie, im Verlauf der Zeit als Militärlazarett und am Ende als sowjetisches Militärkrankenhaus Verwendung fand, war das erste Ziel. Nach unzähligen Bildern und einem seltsamen Typen, der sich auf dem Dachboden vor mir versteckte und dazu in Zeitlupentempo hinter dem Schornstein verschwand, musste noch im scheinbar komplett ausgebuchten Brandenburg eine Unterkunft gefunden werden. Der Bettenbunker in Autobahnnähe erwies sich als Glücksgriff. Nicht nur der Preis war günstig, es befand sich auch noch ein LP-Cache direkt vor der Tür. Zwei Stages und der Final, das sollte schnell erledigt sein… wenn da nicht die gefühlten zehn (realen 2,5) Kilometer zwischen der letzten Stage und dem Final gewesen wären. Ein Deckel mitten im Wald, eine Leiter ins Dunkel… sehenswert! Irgendwann war der Final gefunden und nach dem Rückweg ein Feierabendbierchen vor dem Hotel verhaftet.
Der letzte Tag war mit dem Besuch eines großen Kasernengeländes verbunden. Nach längerer Parkplatzsuche, man will schließlich nicht auffallen, standen etliche Stunden mit Erkunden und Entdecken auf dem Programm. Mal weit oben, mal tief unten, immer auf der Suche nach dem nächsten Hinweis. Zugewachsene Straßen, ein renaturiertes Schwimmbecken, zerbrochene Fenster, hier eine Tür, da ein Gang… Speicherkartenwechsel… dort rein, hinten hoch, seitlich raus… Genial
Fazit: Ich bin zu alt für den Scheiss… zumindest was das kilometerlange Laufen in Gummistiefeln (Bauarbeiterausführung mit Stahlkappe) ohne Einlegesohle betrifft (#autschn) und den Adrenalinkick mit der Führungsgruppe und anschließendem, zeitlich geschickt geplantem hinterherschleichen hinterherrennen… zumindest solange ich Gummistiefel an hab (#doppelautschn). Mal ganz abgesehen vom kilometerlangen Laufen in den darauffolgenden zwei Tagen (#dreifachautschn). Wenn ich jemals zur Pediküre gehe, muss ich mir wohl so einiges anhören.
Egal, Spaß hats gmacht!
Weitere Infos:
ostwallinfo.de (Achtung, Augenkrebsgefahr)
ostwall.pl
Video (Reportage zum Ostwall): Geheimnisvolle Orte – Der Ostwall Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4
Video (Originalaufnahmen): MRU Bunkers Teil 1, Teil 2
Freitag, 28. Juni 2019 13:43
[…] ich auf zwei Blog-Artikel über eine Geocaching-Tour in diesem Gebiet gestoßen: der eine Artikel ist von JR849 und der andere mit dem treffenden Namen „Lost in PL ? Ostwall […]
Montag, 30. November 2015 14:57
@DerOtterwarhier: Generell gilt bei Lost-Places: Es gibt immer in irgendeiner Form ein Eigentümer, der nicht möchte, dass du dort herumturnst. Man sollte sich nicht erwischen lassen und besonders an solchen Orten nur Caches mit expliziter Genehmigung auslegen. Alles andere führt mit Sicherheit über kurz oder lang zu Problemen.
Montag, 30. November 2015 14:48
Hey…ein sehr schöner und interessanter Artikel. Muss man auf diesem Gelände Eintritt zahlen? Ist das ein abgesperrtes Gebiet? Oder kann man das und alle Eingänge einfach so betreten und der cahchen wie man will???
Sonntag, 24. März 2013 2:38
Einige Fotos hier kommen mir seehr bekannt vor Ein tolles Gelände mit einem interessanten Cache…
Donnerstag, 8. September 2011 23:17
Einfach nur klasse! Da wäre ich gerne dabei gewesen ….
Sonntag, 28. August 2011 8:33
Hallo JR,
eine spannende Tour hab ihr da gemacht und klasse Bilder mitgebracht…
Grüssle exxxe
Freitag, 26. August 2011 10:56
Und ich dachte die 7km in Gummistiefeln im Urban Thunder seien unübertreffbar…
man lernt doch immer wieder dazu
@JR: findet man die Caches in irgenteinem Bookmark? Die Links waren zwar interessant, aber leider nichts GC-mäßiges gefunden
Mittwoch, 17. August 2011 18:49
#ein_bischen_neidisch_bin
Mittwoch, 17. August 2011 17:39
16 Kilometer in Gummistiefeln, Respekt – das ist, soweit ich weiß, neuer polnischer Rekord.
Bin schon gespannt, welche Herausforderung nächstes Jahr auf dem Programm steht…
Mittwoch, 17. August 2011 13:07
Wie Magamba schon schrieb, alles wunderbar anzusehen. Auch die Fotos (wie immer) perfekt.
Die Gegend wäre auch für uns reizvoll
Und jetzt werde ich den Rest meiner Mittagspause wohl „in“ Cacheville verbringen müssen
Mittwoch, 17. August 2011 10:56
Toller Bericht, tolle Fotos.
Hört sich sehr spannend an.
Mittwoch, 17. August 2011 8:53
Wieder mal 1a-Impressionen von einer Deiner Touren! Du hast es echt drauf! Es lohnt sich immer wieder hier bei Dir mal rein zu schauen! Schöne Abrundung der Cacheville Doku, die ich im Vorfeld vorgestern schon „verschlungen“ habe. Toll, virtuell dabei gewesen sein zu dürfen! Und Danke auch für die Links zu weiterführenden Quellen – sehr spannend … und für mich völlig neu!