Abgestumpft?
Die ersten gefundenen Geocaches, ein Feuerwerk an Highlights… jede Dose ein Erlebnis, jede Suche ein Abenteuer, jeder neue Ort ein Quell unzähliger Eindrücke. Auch nach Wochen, Monaten und Jahren nach dem ersten Cache immer noch auf eine gewisse Art und Weise aufregend. Doch wie lange hält die „Dosen-Euphorie“?
Irgendwann wirft man bereits auf dem Weg zum „Ground-Zero“ einen Blick auf den Hint, um nicht lange suchen zu müssen, liest sich Cachebeschreibungen nicht mehr durch, reduziert die Verweildauer in der Nähe der Dose auf die Dauer des Suchens und Loggens. Sucht auf dem GPSr bereits kurz nach dem Fund die nächste Dose und schaut sich den kürzesten Weg dorthin an… Mist, der Weg macht eine Schleife was einen Umweg bedeutet, also doch die Abkürzung durch die Botanik… Online loggen wird meist in einem Standardlog zusammengefasst, der da beginnt mit…
„Heute zusammen mit…“
„Auf unserem heutigen Cache-Spaziergang…“
„In der Gruppe schnell fündig geworden…“
… oder mit einer der unzähligen anderen, lapidaren und abgedroschenen Phrasen, die man halt bei den 0815-Dosen so schreibt, weil es sich so eingebürgert hat.
0815 – etwas Gewöhnliches nichts Besonderes, Durchschnitt, Mittelmaß – ja, alles was halt wenig aus der Masse heraussticht oder man halt schon kennt und oft gesehen hat. Der erste Cache im eigens dafür aufgehängten Vogelhäuschen, ja das war noch ein Highlight – spätestens wenn man eine Handvoll davon gefunden hat ist es halt nur noch Durchschnitt oder wird, je nach Gusto, fast schon als wenig kreativ eingestuft.
Abgestumpft? Ach was, ein Vogelhäuschen war halt früher mal toll, heutzutage ist das schlicht eine Dose mit netter* Umverpackung – Heute schnell gefunden, vielen Dank. Die x-te Dose im Pfosten eines Verkehrsschildes oder Gartenzauns – TFTC. Eine kleine Bastelei oder ein Gummitier mit integriertem Döschen – jaja, auch nett – und der Blick wandert schon wieder auf das GPS-Gerät, der Weg zur nächsten Dose, weiter gehts. Nach der Tour dann das Loggen und bei manch einer Dose muss man schon etwas überlegen… ach stimmt, das war ja der kleine Bunker am Wegesrand – ja, ein einfacher hin und mit. Je mehr Dosen man gefunden hat, desto schneller vergisst man diese auch wieder… ein Bunker? War das gestern oder ist das schon länger her? Abgestumpft? Nee, nur vergesslich… bei so vielen Eindrücken vergisst man sowas halt schnell wieder… Das Logbuch war selbstgebastelt und von Hand bemalt? Echt? Nee, also daran kann ich mich gar nicht mehr erinnern, ich hab nur schnell geloggt. Und von da hatte man einen schönen Blick über das Tal? Hmm, ich weiß nur noch dass wir von dort aus in einem großen Bogen zur nächsten Dose hätten laufen müssen, aber eine Abkürzung genommen haben.
Irgendwie ertappe ich mich, obwohl ich nur noch hin und wieder cachen bin und noch seltener online logge, dass ich trotz der geringen Fundquote irgendwie abgestumpft bin. Die kurze Zeit der Statistikcacherei hat bei mir das Geocaching irgendwie optimiert und das Cachen auf stupides „suchen, loggen, weiter“ reduziert. Cachenamen bleiben nur selten im Gedächtnis und je nach Aktivität erinnert man sich bereits nach ein paar Tagen nicht mehr wirklich an die beinahe schon gesichtslosen Gummipunkte, die man zuvor gefunden hat. „Ownerbalsam? Sollen was ordentliches auslegen, dann gibt es vielleicht mal ein Favo.**“ – doch welche Dose ist ordentlich, was ist schön und bleibt im Gedächtnis?
Das Einzige was hängen bleibt sind die wirklich kreativen Dosen, welche eher rar gesäht sind oder schlicht schon in diversen Variationen gefunden wurden und damit dann halt auch nur noch Durchschnitt sind… oder Caches, bei denen der Weg das Ziel und die Dose schlicht Nebensache ist.
Ich für meinen Teil werde Geocaching dieses Jahr auch wieder dosenreduziert bewusst genießen und aus der ein oder anderen 0815-Dose einen Cache machen, der auch noch nach 2 Jahren Erinnerungen wachruft… alles andere ist gefühlt verschwendete Zeit und das ist mir mittlerweile irgendwie zu schade.
Wie ich auf das Thema komme? Man muss sich nur die alltäglichen 0815-Logs bei eigentlich ganz anständigen Dosen anschauen um zu erkennen, wie die Geocacher, allen voran man selbst, mit der Zeit abstumpfen… irgendwie erschreckend.
*Nett wird heutzutage auch gerne als die kleine Schwester von Scheiße bezeichnet
**Favo ist die verstümmelte Kurzform von Favoritenpunkt und steht gleich vor Koos für Koordinaten und Traddi für Tradi, letzteres eine Langform, dafür aber genauso dämlich wie der Rest der vermeintlich coolen Abkürzungen, in vermutlich irgendeiner Liste für „Geocaching-Profi-Sprech“
Mittwoch, 12. September 2018 9:45
[…] ist das Unpersönliche, Oberflächliche, Einfallslose, scheinbar beliebig Austauschbare, Abgestumpfte und irgendwie auch Lieblose an diesem im Grunde so schönen […]
Donnerstag, 31. Dezember 2015 19:06
[…] darf. Dem Fotolog-Gesindel ist das alles aber egal, Hauptsache der Zähler stimmt. Dass man dabei abstumpft, ist meist ohne Belang. Immer getreu dem Motto: “Heinzelfrei, bescheiss dich dabei” […]
Dienstag, 21. April 2015 10:00
Leider hast du vollkommen Recht !
Aber Dosenreduktion ist leider auch kein Heilmittel.
Die „richtige“ Auswahl der zu suchenden Dosen ist ein Weg und die Auswahl der „richtigen“ Begleiter helfen auch.
Ps. Richtig ist für jeden anders.
Dienstag, 7. April 2015 12:42
Ich habe mich neulich ertappt, dass ich bei DNFs mittlerweile kreativer bin und mehr schreibe. Liegt eben daran, dass es meist Dosen waren, die nicht wintertauglich waren und aber auf Bergen liegen, die ich bei Skitouren besuche. Da bleibt dann gern mal ein schönes Gipfelfoto im DNF-Log und die Erinnerung an eine coole Tour. Die Dose war dann eh nur zweitrangig.
Mittwoch, 25. März 2015 14:44
Bei der Motivation geht es mir wie Zappo: ich will raus und was erleben. Die Zeit dafür ist – wie bei Gerald – durch die Familie beschränkt. Daher muss es was Besonderes sein, das in Erinnerung bleibt – und wenn das klappt schreibe ich gerne auch mal ellenlange Logs. Angesichts der unglaublichen Menge an Schrott, die mittlerweile da draußen liegt, ist aber bereits die Planung eine zeitaufwändige Plage. Mittlerweile suche ich mir meist eine -bevorzugt noch unbekannte – Region aus, wo auf der Karte inmitten von viel Grün mit gelegentlichem Blau einige Dosen liegen. Da lege ich mir dann eine Tour rein und nehme die Dosen mit – oder auch gerne mal nicht. Die Einzeldose ist dann u.U. nichts Besonderes, das Gesamtpaket meist schon.
Natürlich kann man den Spieß auch umdrehen und einfach eigene Caches legen, die einem selber gefallen würden. Dann haben alle was davon. So habe ich letztes Jahr einige eigene T5 Projekte realisiert, anstelle kilometerweit zu Kletterdosen zu fahren, über die ich mich dann evtl. ärgere. Und ich freue mich über (fast) jedes Fundlog und was die Leute bei dem erlebt haben, was ich ihnen da serviert habe. Ein einfaches „TFTC“ war jedenfalls noch nicht dabei, liegt vielleicht aber am Charakter der Dosen
Mittwoch, 25. März 2015 12:03
Hmmm….Ich guck am Final auf Spoiler und Hint, ich will nicht suchen, sondern finden, und die -meisten- „c“reativen Verstecke, die doch nur vergeblich die fehlende Location vertuschen zu versuchen, sehe ich genauso als „nett“ an. Das gibt mir wenig bis nichts.
Eigentlich bin ich zugegebenerweise gar kein Cacher. Ich bin gerne draussen und interessiere mich für unzählige Sachen, seien sie nun Natur, Burgen, Bunker, Höhlen, schöne Wege, Architektur, Technik, Felsen, alte Gemäuer und am „Müdeheimkommenundwasgesehenunderlebthaben“ *
Und DARAN lässt die Freude NIE nach.
Klar, das Geocaching hat das ein wenig erweitert um tricky Verstecke, Freude über freche Aktionen, an einfallsreichen Spielen, Erfahrungen mit und von anderen usw usw. Das macht aber nur einen Teil aus.
Eine Abnahme des Reizes hab ich bis jetzt nicht bemerkt – aber ich mach ja auch nicht viel – wer schneller lebt, ist nur früher fertig.
Gruß Zappo
* je mehr ichs durchlese – eigentlich ist das DOCH Cachen
Mittwoch, 25. März 2015 8:37
So geht es mir immer, wenn ich viel am Stück gecachet habe. Ich denke aber, daß das kein GC-spezifisches Problem ist. Viele Hobbys (oder Beziehungen ) beginnen spannend, und irgendwann setzt Routine ein.
Zeitbedingt kam ich auch nicht viel zum Cachen in den letzten Monaten, und siehe da, 3 Dosen bei einer kleinen MTB-Tour haben mir wieder richtig Spaß gemacht.
Ich würde aber dennoch zwischen Dosen sammeln und loggen unterscheiden. Es gibt viele die gern suchen und finden, aber eben nicht gern loggen. Deswegen sollte man auch nicht Standardlogs als Affront ansehen.
Dienstag, 24. März 2015 19:53
Tja, da kann ich nur sagen, dass ich anscheinend die Gnade der bremsenden Familie habe. Mit meinen etwas über 3000 Funden in knapp 10 Jahren war und ist Geocaching bei mir immer nur ein Gelegenheitsspiel gewesen. Und jetzt, wo ich diesen Artikel mit der kritischen Selbstreflektion lese, muss ich meiner Familie möglicherweise dankbar sein, dass sie mich immer nur an der kurzen Leine gehalten haben. Ein Multi ist da schon etwas besonderes, die ganz großen Dinger gibts nur wenige Male im Jahr. Da kann man sich auch noch über die einfache Filmdose freuen. Und 7 oder sogar mehr Caches an einem Tag kann man schon im Kalender rot eintragen. Mehr geht ja auch gar nicht, denn die wollen ja alle noch online geloggt werden. Das ist schließlich der zweite gleichwertige Teil beim Geocaching. Sicher, auch bei mir sind die Logs mittlerweile nicht mehr so ganz ausführlich, dafür wird aber auch gewürdigt, wenn die Filmdose nicht einfach in den hohlen Baumstumpf geworfen wurde, sondern vielleicht mit einem kleinen Band gesichert war. Und das Vogelhäuschen bietet ja unzählige Möglichkeiten der Individualisierung. Man muss nur etwas genauer hinschauen. Wie gut, dass ich nichts weiter auf dem Zettel hab … so wie immer
Viele Grüße
Gerald