Hoch oben im Lost-Place

Blick durch das Fernglas zum Ziel„Unbedoster LP, Lust auf einen kleinen Urlaub?“, mit diesem Satz fing alles an. Durch einen Tip von mgo zum Artikel Jäger der verlorenen Pisten und dem Anblick der Bilder war klar, dass wir nicht widerstehen können. Eine verlassene Seilbahnstation auf fast 3500m verlangt etwas Planung im Voraus, passende Ausrüstung und vor allem gutes Wetter, schließlich will man ja auch die Aussicht genießen.
Während die Internetrecherche immer mehr Material zu Tage förderte, rückte der geplante Termin, 2. – 8. August näher. AusrüstungDer Abend vor der Abfahrt bestand aus Tetris spielen mit dem Rucksack und dem ganzen Berg an Ausrüstung für die Tour. Nur wenige Stunden später befanden ScandinavianMagic und ich uns auf der Autobahn, Ziel Breuil-Cervinia im italienischen Aostatal. Der erste Tag ging für die Anreise und den DNF beim einzigen Cache im Skiort drauf – ehrlich gesagt hatte keiner von uns große Lust sich in der Fußgängerzone längere Zeit zum Affen zu machen. Die Nacht im Auto war recht angenehm und die Seilbahn, welche uns 500 Höhenmeter ersparen sollte, war auch schon in Betrieb als wir aufwachten. Blick vom ParkplatzDas Wetter zeigte sich von seiner guten Seite und schon vom Parkplatz aus war das Ziel, die alte Furggenstation auf dem Furggrat, sichtbar.
Mit GepäckMit der schwergewichtigen Ausrüstung (Kletterzeug, Klamotten, Essen, …) auf dem Rücken, begann der Trip auf 2500m. Der allmählich steiler werdende Weg führte uns, mit den für Flachlandtiroler typisch vielen Verschnaufpausen, immer weiter nach oben. PäuschenIrgendwann ging es vorbei an kleineren Schneefeldern und schlussendlich auf der ehemaligen Skipiste Nr. 9, von der nur noch ein paar alte Absperrungen zwischen dem Geröll herausragen, bis zum unteren Rand des letzten Gletscherrestes. Mit Steigeisen und Pickel ging es den letzten Höhenmetern an den Kragen. Während Ralf nach seiner unfreiwilligen Rutscheinlage ein paar extra Meter zurücklegte, war der erste Blick über den mit Schnee und Eis bedeckten Grat hinunter in die Schweiz ein tolles Erlebnis. Tunnelausgang mit PanoramaEinige Schritte über losen Schutt am Abhang vor der Station und wir waren endlich oben.
Im ersten Raum ließen wir erst einmal unser Gepäck stehen und begannen die Entdeckungstour. Die tonnenschwere Seilmechanik im hangseitigen ObergeschossGebäudeteil, die beinahe gemütliche Küche, die Zimmer im Zwischengeschoss und letztendlich der Tunnel mit besonderem Klima im Inneren. Eigentlich hätten wir noch Schnee vom Gletscher holen müssen, denn das Wasser zum Kochen und Trinken war leer. Im TunnelBeim Anblick des fließenden Wassers an der Tunnelwand konnten wir uns den abermaligen Gang über die Schutthalde ersparen. Nachdem scheinbar jeder Winkel des LPs abgelichtet wurde, wurde das Lager in der Küche aufgeschlagen, das Anstoßen mit Sekt aufgrund des kalten Windes auf der Dachterasse nach innen verlagert und das Abendessen bei Kerzenschein eingenommen.
AusblickMorgenstund hat Gold im Mund… für uns gab es nur Blech. Irgendwann um 10 Uhr aus den Schlafsäcken geschält, erwartete uns wieder tolles Wetter und obendrein war es noch windstill. Da kann einem ziemlich schnell warm werden in der Sonne. :) Kurz nach dem Frühstück hörten wir Schritte und draußen konnten wir zwei Schweizer begrüßen, die von Zermatt aus über den Grat geklettert waren und auf der Aussichtsbank ihr Frühstück einnahmen.
AussichtsterasseNatürlich musste auch noch ein passendes Versteck für die Dose gefunden werden, wobei diese in der Hütte selbst dann nicht wegkommen würde, wenn wir sie einfach auf den Küchentisch gestellt hätten. Dort oben, abseits der randalierenden Teenmuggels und Glasallergiker wird ein Lost Place noch mit gebührendem Respekt behandelt.
Nachdem alles zusammengepackt war, wurde die Tür wieder sorgfältig mit der Schnur verschlossen und dieses Relikt einer anderen Zeit weiter seinem Schicksal überlassen. Ziel war das Rifugio Duca degli Abruzzi, in dem wir eigentlich aufgrund der fortgeschrittenen Tageszeit übernachten wollten. Ich brauch eine Dusche!Nach einigen Stunden des Abstiegs durch teilweise aufziehende Wolkenfetzen, standen wir vor einer verschlossenen Hütte und strichen somit auch die letzte Hoffnung, irgendwie noch das Matterhorn besuchen zu können. Nach einem Abendessen ging es um kurz nach 20 Uhr dem Parkplatz entgegen, auf dem wir zwei Stunden später auch endlich wieder die schwere Last vom Rücken nehmen konnten.
Andere Seilbahnstation mit GondelAm nächsten Tag ging es abermals auf den Berg. Der Mann an der Kasse hatte uns mit dem Satz „The weather is no good!“ schon vorgewarnt. Unten Regen, oben Schneesturm, aber wir hatten es ja nicht weit. Andere SeilbahnstationDiesmal waren die Ziele zwei weitere verlassene Seilbahnstationen, welche bequem mit der Seilbahn und einem kurzen Fußmarsch zu erreichen waren. Hier gab es noch ein paar alte Gondeln, Schaltpulte und etliche Wartungsbücher aus längst vergangenen Zeiten zu sehen.

HöhenprofilFunivia del Furggen, ein LP-Cache mit toller Aussicht. Vermutlich nicht geeignet für den Otto-Normalcacher oder Statistiker, aber für diese Zielgruppe haben wir die Dose ja auch nicht ausgelegt. :D

 

Videoübersicht

  • Aufstieg zur Furggenstation
  • Rund um den Lost-Place ab 2:12
  • Rifugio Duca degli Abruzzi ab 6:01
  • Outtakes ab 6:56

Die Location

bergstation-damalsDie Seilbahnstation auf dem Furggrat wurde im Jahr 1953 fertiggestellt und war von den Italienern als Zwischenstation der Seilbahn geplant, die auf das Matterhorn hätte führen sollen. Die Schweizer sind aber energisch gegen dieses Vorhaben vorgegangen und angesichts der baulichen Schwierigkeiten Originalzeichnung Carlo Mollinound aufgrund von Geldmangel wurde die Matterhornstation nicht verwirklicht. Auch die Station auf dem Furggen wurde nicht komplett fertiggestellt, wie man im Vergleich mit den Originalplan sehen kann.
Dennoch wurde die Seilbahn in Betrieb genommen und eine der legendärsten schwarzen Pisten, die Piste Nr. 9, wurde damit geboren. abfahrtVon dort oben hatte man die Wahl, die Gratabfahrt von der Dachterasse zu nehmen oder durch den Tunnel diese schwierige Passage zu umgehen. GletscherrückgangDer Rückgang des Gletschers führte bereits 1992 zu Problemen und Unfällen. Im Jahr 1993 riss in einem nächtlichen Schneesturm eines der beiden Seile der Bahn. Aufgrund der baulichen Mängel hinsichtlich neuer Gesetze Tunnelausgang damalsim Seilbahnbau und der schon damals zu geringen Kapazität der Bahn, wurde die Bergstation daraufhin geschlossen und sich selbst überlassen. Der weithin sichtbSkipiste mit Bergstation im Hintergrundare Betontunnel, der damals direkt auf den Gletscher führte, endet nun ca. 15m über dem letzten Rest des Gletschers. Während die Sonne die Tunnelwände aufheizt, bildet sich Dank des Schmelzwassers, welches von den Wänden tropft, ein besonderes Klima im Inneren des Tunnels und lässt die Fauna und Flora in dieser Höhe aufblühen.

Technische Daten:
Talstation: 2560 m.
Bergstation: 3491 m.
Höhendifferenz: 931 Hm
Länge: 2887 Meter
Fahrzeit: 5 min
Kabinengröße: 25 Personen
Kapazität: 240 Personen/Stunde

Quelle der historischen Bilder: www.retrofutur.org

Privatvideo des damaligen Skivergnügen. Die Piste und Teile der Furggenstation sind zu sehen.

Video von 1953 (italienisch)


Nachtrag: Hier die Links zu den Blogartikeln von Ralf – leider nur noch im Webarchiv.
Die verlassene Seilbahnstation – Teil 1
Die verlassene Seilbahnstation – Teil 2 inkl. Track (siehe unten im Artikel)

Autor:
Datum: Montag, 16. August 2010 6:35
Trackback: Trackback-URL Themengebiet: Eigene Caches

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31 Kommentare

  1. 31

    Blogartikel von Ralf mit Track zum Download verlinkt – siehe Ende des Artikels

  2. 30

    […] bedeutet. Ich für meinen Teil habe den Hut des LPC-Owners an den Nagel gehängt, lediglich ein hochgelegenes und legal betretbares Zeugnis ist noch von dieser aufregenden Zeit geblieben. Es war schön, aber es ist für meinen Geschmack […]

  3. 29

    […] Die alte Seinbahn im Blog von JR849 […]

  4. 28

    Der Geocache ist auch auf Retrofutur beschrieben

    In der Station sammelt sich heute Abfall, ab und an findet sich jemand der diesen in eine weiter hinten gelegene Ecke verfrachtet. Aufgrund der nicht einfachen Erreichbarkeit mag man hoffen, daß sich Besucher auch in Zukunft zu benehmen wissen.“ …
    „Der Zustrom Neugieriger zu diesem „Nicht-Ort“ wird heute durch das Internet verstärkt. Damit gehört der ehemalige Skiberg heute einer kleinen Schaar an Wanderern, Tourengehern, Seilbahn- und Skisportarcheologen. Im August 2010 wurde ein Geocache in der Bergstation deponiert, Web Blogs und Diskussionsforen als auch diese kleine Dokumentation führen im Schneeballsystem derart zu immer weiteren Motivationen diesen Ort aufzusuchen…

  5. 27

    […] wurde eines Besseren belehrt. Vor einer Woche erhielt ich eine Mail, dass sich im Küchentisch hoch oben im Lost-Place ein Ausdruck der Cachebeschreibung inklusive Spoilerbilder befindet. Im Tisch in der Stube haben […]

  6. 26

    […] Fledermaussperre von 01.10.2012 -31.03.2013 (LA TEAM) # Funivia del Furggen – Hoch oben im LOST PLACE # Geocaching bei Thalia # restube – mehr Sicherheit im Wasser # Mega Geocaching Event New Zealand # […]

  7. 25

    […] und einen kleinen Abstecher in Richtung Matterhorn machen. Ich möchte für den Owner eines Lost-Place-Caches mal kurz ein paar Luftaufnahmen […]

  8. 24

    […] JR849 – Für’s Legen des Caches (Blog) […]

  9. 23

    Seid gestern sind wir wieder zurück – das war großes Kino in jeder Hinsicht 8) – lost place und Berge in dieser Kombination – sagenhaft! :bravo:
    Hüttenerlebnis mal anders und in bester Aussichtslage – wir haben es genossen – auch hier nochmal ein dickes DANKSCHEE dafür – das war ein Erlebnis der besonderen Art!

    Gruß, Holger

  10. 22

    Hi Ihr wilden!
    Klasse Tour und noch besseren Platz. Echt der Hammer. Das Video gibt der ganzen Sache noch das Sahnehäuble :-)))

    @Stefan- wir sind am Planen wegen dem Cache. Mein Kollge (GC Nick HAIZE) ist gerade auf der Schweizer Seite- habe ihn schon angefunkt!

    Grüße an alle,

    LACKI

  11. 21

    Yep, war echt ein abenteuerlicher Trip! Jürgen, ich denke, es wird langsam Zeit, mal wieder nach der Dose zu schauen, evtl. war der Bleistift nämlich nicht richtig angespitzt. :pfeif:

    BTW: Mein Blog ist zwar jetzt fertig, und mein Erlebnisbericht, Teil 1, ist immerhin mal online: http://bit.ly/bNUHXV – mit dem Indoor-Video dauert aber noch etwas…

  12. 20

    Also man sieht, daß Deutschland und Schweiz schon ambitioniert ist…
    Hier in Italien sieht das schon wieder ganz anders aus :cry:

  13. 19

    Ich hab diesen Blogeintrag mal im Schweizer Cachingforum verlinkt, da gibt es auch schon ein paar Reaktionen, durch und durch positiv.

    http://www.swissgeocache.ch/forum/index.php?showtopic=8486

  14. 18

    Mir fallen schlicht keine Superlative für diesen genialen Cache in einer noch genialeren Location ein!

    Wenn da einer hinfährt, bitte Bescheid sagen!

    Der FTF ist mir völlig egal, aber da MUSS ich hoch! :mrgreen:

    Stefan
    http://www.42cacher.de

  15. 17

    Waah, waah, vor gerade mal 2 Wochen war ich auf der Theodulhütte um die Ecke … wobei „um die Ecke“ ja bei dem Gelände auch sehr relativ sein kann ;-) Leider mussten wir unsere Gipfelambitionen wegen fiesem Wetters abbrechen … so ein Dösle wäre da gerade das richtige Alternativprogramm gewesen … naja, bei dem Wetter aber leider sowieso nicht … also „Bookmarken“ :-)

    Was mich aber noch viel mehr interessieren würde als wie man damit Reviewer überzeugt ist: Wie kriegt man solche GC Nummern?

  16. 16

    @romerror: Der Cache ist schon veröffentlicht. ;-) Funivia del Furggen

  17. 15

    Wunderschöner Bericht,
    Da kann man ja nur mal auf den Cache warten. hoffentlich kommt er bald raus, damit man den Sommer noch nutzen kann.

  18. 14

    Danke für das Video und für die tollen Bilder :bravo:

  19. 13

    Grandios! :bravo:

  20. 12

    So, dann werde ich mal die Ausrüstung zusammen suchen. :D
    EINFACH GEIL

  21. 11

    Wow, so ne Tour würde ich gerne auch mal machen. Nur muss ich mir allein für den Hin- und Rückweg schon ne halbe Woche frei nehmen. ;)

  22. 10

    Respekt! 8)
    Schöne Aktion, die Fotos würden auch die Teilnehmer des http://www.alpinforum.com erfreuen, nehme ich an…

    Der kommt gleich auf meine Wishlist, wir werden hoffentlich in 3 Wochen von der Theodulshütte aus rüberblicken können, aber für einen Versuch fehlt´s an Zeit und Kondition.

  23. 9

    Absolut genial ! Der muss auf meine ToDo :)

  24. 8

    Sehr geil. Wenn irgendwann mal der Blogpost des Jahres gesucht wird stimme ich für den hier ab.

  25. 7

    Wow! Tolle Tour, toller Bericht, schöne Fotos!!! :bravo:

  26. 6

    Toller Bericht und eine super Aktion. :bravo:

  27. 5

    Wirklich sehr schön. Leider werde ich wohl nie in den Genuss kommen :cry:

  28. 4

    Sehr, sehr schön. Das „Ding“ ist mir schon bei der Planung unserer Jeep-Alpentour aufgefallen. Wir sind dann nämlich am Theodulpass mit den Autos. Die Zeit dafür wird natürlich etwas knapp. Aber reizen würde es mich schon. Aber schau mer mal.

    Das mit den großen Tennis unterschreibe ich. Danke für den Bericht und die Dose.

  29. 3

    …ein sehr schöner bericht…vielen dank…

  30. 2

    da sag ich einfach nur: Genial! :)

  31. 1

    Ganz großes Tennis :bravo: :bravo: :bravo: